Kritik muss erlaubt sein

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Eine Meinung von Martin Siemer

Wildeshausen. Bürgermeister Jens Kuraschinski gefällt die Kritik an der Arbeit von Rat und Verwaltung nicht. In den Sozialen Medien würde immer wieder versucht, zu instrumentalisieren und zu polarisieren, um Entscheidungen in eine bestimmte Richtung zu lenken. „Ich finde es sehr schade und Anfeindungen in den sozialen Netzwerken verantwortungslos, zumal wir in der jüngsten Vergangenheit vieles erreicht haben“, sagte Kuraschinski während des jüngsten Schaffermahls von Stadt und Wildeshauser Schützengilde.

In einem Punkt hat Jens Kuraschinski recht: Anfeindungen und Beleidigungen, egal ob persönlich oder in den Sozialen Medien, gehen gar nicht. Und auch das in Wildeshausen vieles erreicht worden sei, mag stimmen. Doch die Beispiele, die er aufzählt, zeigen, dass es an Selbstreflexion mangelt. Die Rettung des Mehrgenerationenhauses, die Sanierung der Villa Knagge oder die Instandsetzung der alten Lohgerberei, alles Projekte, die Highlights für Wildeshausen sein können. Doch initiiert und realisiert werden sie von privaten Investoren. Ebenso wie die Nachnutzung des weitläufigen Geländes der Diakonie Himmelsthür.

Auch den Kunstrasenplatz im Krandelstadion führt Kuraschinski als erfolgreiches Beispiel an. Dabei beteiligt sich die Stadt mit nicht einmal einem Drittel an den Gesamtkosten der Investitionen in die stadteigenen Sportanlagen. Den restlichen Betrag muss der VFL Wittekind als Sportverein über Sponsoren und mit Spendengeldern zusammentragen. Und während Stadtverwaltung und Politik immer noch an den Erfolg des Urgeschichtlichen Zentrums (UZW) glauben, wird im gleichen Atemzug die Förderung der Integrationsprojekte „Treffpunkt mittendrin“ gestrichen.

Der im Wahlkampf gerne benutzte Begriff „Transparenz“ hat viel Luft nach oben. Der Förderbescheid für das besagte Urgeschichtliche Zentrum ist ebenso „Geheime Kommandosache“ wie der Vertrag mit den Stadtwerken Bremen (SWB) über die Installation und Wartung der Beleuchtungseinrichtungen der Stadt Wildeshausen. Selbst Abgeordnete des gewählten Stadtrates bekommen nur auf Antrag und mit Stimmenmehrheit des Rates Akteneinsicht. Wie Politiker auf dieser Basis weitreichende, ausgewogene Entscheidungen zum Wohle der Stadt und der Bürgerinnen und Bürger treffen sollen, bleibt ein Geheimnis der Verwaltung. Und wenn der Bauausschuss in öffentlicher Sitzung beschließt, mögliche Standorte für große Mehrfamilienhäuser in gewachsenen Siedlungsstrukturen ermitteln zu lassen, ist das zunächst ein gutes Ansinnen. Wenn jedoch es nur wenige Tage nach diesem Beschluss ein Gespräch auf höchster Ebene mit einem möglichen Investor gibt, dann bekommt dieser Beschluss einen faden Beigeschmack.

Der Bürgermeister betont immer wieder, wie wichtig für ihn eine attraktive Innenstadt ist, „in die wir gerne kommen und in der wir uns wohlfühlen“. Aktiv etwas dafür getan wird jedoch seit Jahren fast nichts. Nicht ohne Grund hat sich der Handels- und Gewerbeverein aus der Mitarbeit verabschiedet. Warum kann man den Marktplatz am Wochenende nicht mit Musik und Kultur beleben? Warum nicht versuchsweise die Innenstadt von Freitagabend bis Sonntagabend für den Kraftfahrzeugverkehr sperren?

Kuraschinski sagte, dass in der jüngsten Vergangenheit vieles erreicht worden sei. Allein in den vergangenen zehn Jahren seien mehr als 61 Millionen Euro in Schulen, Kitas, Baugebiete, Krandelbad, Bauhof, Kläranlage, Straßenbau oder Feuerwehr investiert worden. 25 Millionen Euro aus Fördergeldern oder anderen Einnahmequellen seien in den Haushalt der Stadt geflossen. Dabei wird aber oft übersehen, dass diese Gelder zuvor von den Bürgerinnen und Bürgern der Stadt, des Landes Niedersachsen und der Bundesrepublik erarbeitet wurden. Fördergelder sind also keine Mittel, die aus dem Nichts fließen.

„Perspektive Innenstadt“ und „Zukunft Stadtgrün“ sind zwei aktuelle Projekte, für die die Stadt erneut Fördergeld in Anspruch nehmen kann. Es mag sein, dass der Eigenanteil aus dem städtischen Haushalt deshalb deutlich geringer ausfällt, um diese beiden Projekte zu realisieren. Doch wenn man ehrlich ist, kann sich die Stadt zumindest „Stadtgrün“ zurzeit kaum leisten. Viele anderen Baustellen sind wichtiger. Das Freibad, das für alle Wildeshauserinnen und Wildeshauser da ist, rottet  vor sich hin. Der Bedarf an Kita- und Grundschulplätzen steigt, auch angesichts des steten Bevölkerungszuchwachses. Die Ausstattung öffentlicher Gebäude mit Solaranlagen kommt nicht voran. Das dringend benötigte Industriegebiet „Wildeshausen-West“ liegt weiterhin im Dornröschenschlaf. Und das Zukunftsprojekt „Wildeshausen 203 plus“ mit dem Ziel des Erhalts historischer Bausubstanz wird ins Leben gerufen, als die meisten, für Wildeshausen charakteristischen Gebäude schon verschwunden sind.

Der Bürgermeister hat recht, vieles ist gut in Wildeshausen. Aber das, was gut ist, fußt zum Großteil auf privater Initiative. Dazu zählen kulturelle Veranstaltungen, die aber seit Jahren auf keine adäquate Veranstaltungsstätte zurückgreifen könne. Der Sanierung der Widukindhalle hatte die Verwaltung zunächst eine Absage erteilt. Die Politik folgte diesem Vorschlag. Eine alternative Lösung, um den kulturschaffenden Vereinen und Organisationen weiterhin Auftrittsmöglichkeiten zu bieten, wurde indes nicht präsentiert. Vorschläge von privater Seite, mit Finanzierungsmöglichkeiten, wurde von vornherein abgelehnt. Jetzt ist die Wildeshauser Schützengilde mit im Boot, beteiligt sich mit 80.000 Euro aus den Rücklagen an der Sanierung der Halle. Damit hat die Gilde zwar über Jahre einen Ort für Ihre Mitgliederversammlungen, Wildeshausen aber immer noch keine Veranstaltungsstätte, die für Theater, Musik, Kongressen oder Feten geeignet ist.

Im Übrigen ist die Kritik Kuraschinskis unangebracht, dass Bürgerinnen und Bürger in den Sozialen Medien versuchten, Entscheidungen zu beeinflussen oder in eine bestimmte Richtung zu lenken. Warum sollten den Bürgern etwas verwehrt sein, was an andere Stelle offenkundig legitim ist? Politik und Verwaltung sollten dankbar sein, wenn sich Bürgerinnen und Bürger konstruktiv mit Ideen und Anregungen, aber auch mit sachlicher Kritik einbringen.

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